Station 3: Platz der Stille

 Andrea Sailer

 Stille - Vielleicht die Musik der Ewigkeit?

Wir nehmen alles auf – wenn auch nicht gleich auf uns! Wir bekommen alles mit – wenn auch niemals für sehr lange! Wir sind allzeit bereit zur Flucht – wenngleich schon nicht zur Zuflucht!

Leere, Stille – das halten wir nicht aus. Kein Lärm klingt uns so unerträglich im Ohr wie die Abwesenheit aller Geräusche. Nichts ist beklemmender, als wenn da nichts ist. Unsere Lebensbühne ist sorgsam ausgestattet mit Klangkulissen und Geräuschteppichen. Am liebsten ist uns Hintergrundmusik. Doch welcher Hintergrund soll das sein? Was steht eigentlich im Vordergrund? – Wir. Wir stehen da. Doch unser Dasein ist ein Ort der Ortlosigkeit geworden. Unsere Wurzeln kennen wir längst nicht mehr. Alles, was von außen an uns herankommt, lassen wir ein, zumeist ungefiltert, oft gierig. Weil die Angst so groß ist. Die Angst, dass da in unserem Inneren sonst nichts sein könnte...

Die Furcht ist groß, dass wir, so wie wir sind, nicht sein dürfen. Daß wir „etwas“ darstellen müssen. Es ist so wichtig geworden, dass wir alle „etwas“ sind. Zur Not auch „irgendetwas“. Daß wir SIND, das ist schon lange nicht mehr genug. – Ein Wunder, das irgendwann ausgestorben ist. Karriere, Erfolg, Leistung, Wissen – darum geht es, und oft geht es dabei doch nur „drum herum“. Der Punkt in der Mitte ist immer noch frei. Da sind wir selber und mit uns allein. Ohne Definition und Information von außen scheint das zuwenig zu sein. Auf sich selbst hören, in sich hineinhören – das hat jedoch nicht notwendigerweise sehr viel mit Stille zu tun. Aber wer innehält, sich einmal auf nichts anderes als auf sich selbst besinnt – jenseits aller Schablonen und Schubladen der Gesellschaft, der begegnet unweigerlich seinen Gedanken. Auch jenen, die in der Atemlosigkeit des Alltags oft auf der Strecke geblieben sind. Soviel Nachdenklichkeit macht angst. Soviel geistige Spurensuche wirkt bedrohlich. Von „gescheit“ zu „gescheitert“, das ist oft nur ein kurzer Weg, so scheint es. Lieber sind wir „von Sinnen“ und „besinnungslos“, als dass wir uns auf das besinnen, was wesentlich ist: unser Sein, unser Selbst, bar aller Störungen und Ablenkungen von außen.

Wer die Stille in sich selbst erst einmal ertragen kann, der wird sich auch vor der möglichen Leere nicht mehr fürchten. Weil er ahnt: Leere hat mit dem Nichts nicht wirklich viel zu tun. Das, was wir als Leere fürchten, ist bestenfalls der freie Platz auf der Seele, der uns noch ganz gehört. Und Stille ist vielleicht auch nur jener Zustand, der nach uns selber klingt. Angesichts der großen Vielfalt unter den Menschen könnte es auch das sein, was bleibt: eine unendliche Fülle überhörter, unerhörter oder einfach noch nicht verstandener Lebensmelodien. Vielleicht ist sie ja das – die Musik der Ewigkeit.

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